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Codename Hélène

Churchills Geheimagentin Nancy Wake und ihr Kampf gegen die Gestapo in Frankreich

AutorMichael Jürgs
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783641088842
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Das abenteuerliche Leben einer tapferen Frau
Sie wurde 98 Jahre alt und in Nachrufen weltweit als eine außergewöhnliche Frau gewürdigt: Nancy Wake. Geboren in Neuseeland, begann ihr abenteuerliches Leben in New York, London, Paris: »Ich war eine Art Playgirl.« Sie heiratete einen reichen Franzosen, begann in Marseille als Fluchthelferin und Kurierin für den Widerstand gegen die Nazis zu arbeiten. Als sie von der Gestapo unter dem Decknamen »Weiße Maus« gejagt wird, flieht sie nach England, lässt sich dort vom Geheimdienst als Agentin ausbilden und 1944 über dem besetzten Frankreich absetzen. Eine schöne Frau, sagt einer ihrer Mitstreiter, aber wenn es in den Kampf ging, so tapfer wie fünf Männer. Sie liebte das Leben, hasste die Nazis und kämpfte für die Freiheit der Franzosen. Michael Jürgs folgte ihren Spuren in ganz Europa. Seine Geschichte ihres Lebens ist die Biografie einer starken Frau - und auch eine Chronik von Helden und Verrätern, Mördern und Kollaborateuren.

Michael Jürgs war u.a. Chefredakteur von Stern und Tempo und hat sich als Biograph einen Namen gemacht. Seine Lebensbeschreibungen Der Fall Romy Schneider, Der Fall Axel Springer, Gern hab' ich die Frau'n geküsst (über Richard Tauber), Bürger Grass und Eine berührbare Frau (über Eva Hesse) wurden ebenso Bestseller wie Die Treuhänder, Der kleine Frieden im Großen Krieg (2003) und Der Tag danach. Zusammen mit der Journalistin und TV-Moderatorin Angela Elis legte er das Pamphlet Typisch Ossi, typisch Wessi vor. Viel Anerkennung bekam er für seine Bilanz der deutschen Einheit Wie geht's, Deutschland? (2008) und für seine Geschichte des Bundeskriminalamts BKA. Die Jäger des Bösen (2011) und Codename Hélène: Churchills Geheimagentin Nancy Wake und ihr Kampf gegen die Gestapo in Frankreich (2012); seine Streitschrift Seichtgebiete (2009) verkaufte sich über 100.000mal. Er ist Co-Autor vieler Fernsehdokumentationen, die nach seinen Büchern gedreht wurden.

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Leseprobe

PROLOG

Kennst du diese Frau?«, hatte mein Freund Erich auf die Kopie eines Artikels aus dem britischen Wochenmagazin The Economist vom 13. August 2011 geschrieben und hinzugefügt: »What a life – was für ein Leben!« Am Sonntag zuvor, am 7. August, war in den Londoner Royal Star & Garter Homes das Leben jener Frau erloschen. Für die Economist-Redaktion ein Ereignis von internationaler Bedeutung, denn im aktuellen Heft erwies sie der Toten mit einem ganzseitigen Nachruf die ihr offenbar gebührende letzte Ehre: Nancy Wake, verstorben im Alter von 98 Jahren, sei eine der »gefürchtetsten Agentinnen« des britischen Geheimdienstes gewesen, erfolgreich im Zweiten Weltkrieg als Fluchthelferin abgeschossener britischer Piloten, furchtlos bei Sabotageakten und Attentaten gegen die Deutschen während der Besetzung Frankreichs zwischen 1940 und 1944, mutig in vorderster Reihe bei den Kämpfen der Résistance und des Maquis gegen die SS, nach der Befreiung deshalb ausgezeichnet mit vielen hohen Orden für ihre außergewöhnliche Tapferkeit.

Von der Frau, deren Leben hier in knappen Sätzen beschrieben wurde, hatte ich noch nie etwas gehört. Erste Annäherungen per Eingabe ihres Namens in Suchmaschinen des Internet schienen die Würdigung zu bestätigen: ein erfülltes Leben sogar dann, falls nur die Hälfte von dem stimmte, was weltweit in Nachrufen über sie jetzt gedruckt wurde: nicht nur in England und Irland, sondern auch in den USA, in Australien, in Frankreich, in Neuseeland usw.

Manches mutete allerdings an, als hätte ein mit Fantasie begabter Autor alle bekannten und im kollektiven Bewusstsein archivierten Berichte über Spione und Krieg, Gestapo und Résistance, Verrat und Courage, Völkermord und Vergeltung zu einer modernen Heldensaga verdichtet. Und diese, frei nach dem zynischen Motto des ja nicht nur online real existierenden Journalismus, wonach Tote keine Gegendarstellungen mehr schicken, im Netz über die Welt verteilt. Dankbar schrieben davon viele ab, die nicht über eigene Quellen oder Erkenntnisse verfügten.

Da Nancy Wake kurz vor ihrem 99. Geburtstag gestorben war, musste sie 1912 geboren sein. So viel immerhin stand fest. Also war sie 27 gewesen, als 1940 ihr geheimes Leben im Schatten begann, das jetzt nach ihrem Tod in den Nachrufen noch ein letztes Mal erhellt wurde. Nachdem ich Fotos von ihr aus jener Zeit gesehen hatte, gab es außerdem keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Beschreibungen ihrer Schönheit und ihrer Ausstrahlung. Nancy Wake war in der Tat eine schöne Frau.

Aus solchen Stoffen werden Legenden gewoben oder Blockbuster für die große Leinwand gestrickt. Nicht wirklich überraschend deshalb, dass ihre Geschichte angeblich längst verfilmt worden war, wie das Internet mir suggerierte. Die Liebe der Charlotte Gray hieß der Film, und der hatte bereits 2001 Premiere in den Kinos. In der britisch-australischen Produktion (Regie: Gilian Armstrong) spielte Cate Blanchett die Titelfigur der Engländerin Charlotte Gray, die Sebastian Faulks für seinen gleichnamigen Roman erdacht hatte, auf dem das Drehbuch beruht. Doch vieles, was im Film zu sehen ist, würde der Biografie von Nancy Wake entsprechen.

Laut Drehbuch lässt sich Cate Blanchett alias Charlotte Gray aus Schmerz über ihren vermissten und wahrscheinlich mit seinem Flugzeug über Feindesland abgeschossenen Royal-Air-Force-Geliebten vom britischen Geheimdienst anheuern und zur Agentin ausbilden. Sie will seinen Tod rächen. In einer Mondnacht springt sie per Fallschirm über Frankreich ab, schließt sich der Untergrundarmee des Maquis gegen die deutschen Besatzer an, erlebt auf dem Land die Verfolgung der Juden durch die SS und deren willige Helfer von der faschistischen französischen Miliz, kämpft als einzige Frau unter Männern und verliebt sich in einen der jungen Widerstandskämpfer.

Liebe in Zeiten des Krieges aber hat keine Überlebenschancen. Das Paar muss sich trennen. Er wird weiter bis zum Sieg oder seinem bitteren Ende gegen die Deutschen kämpfen, sie flieht mithilfe einer Spezialeinheit zurück nach London, wo sie, weil das Leben im Kino nun mal spielend eingesetzt werden kann, dann doch wieder ihren einstigen Geliebten trifft. Er hat nicht nur den Abschuss überlebt, es war ihm auch gelungen, sich über Spanien nach England durchzuschlagen. Aber diese frühe, für alle Abenteuer ausschlaggebende Liebe ist inzwischen kälter als der Tod. Als der Krieg vorbei ist, die Nazis besiegt und Europa befreit, kehrt Charlotte Gray auf der Suche nach ihrer eigentlichen Sehnsucht zurück nach Frankreich und findet den geliebten Schattenkrieger in seinem Bauernhof in der Provence. In einer Umarmung endet der Film.

Wie sich herausstellte, verbindet die erfundene Geschichte der Charlotte Gray mit der wahren Biografie der Untergrundkämpferin Nancy Wake immerhin so viel: Auch sie ist mit dem Fallschirm über Frankreich abgesprungen, auch sie hat die Deutschen bekämpft, auch sie hat den Krieg überlebt. Da allerdings enden bereits die Ähnlichkeiten. Die wahre Geschichte der Frau, die ein lebenslustiges Playgirl war, wie sie selbst sich bezeichnete, die in der mondänen Welt von Paris und der Côte d’Azur umschwärmt wurde, die aus Hass gegen die Nazis in den Untergrund ging und als Fluchthelferin wirkte, bis sie selbst fliehen musste, die in England eine Spezialausbildung als Geheimagentin Seiner Majestät erhielt, die in einer Mondnacht über Frankreich absprang und die dann bis zur Befreiung in der Schattenarmee ihren Mann stand – diese wahre Geschichte ist viel spannender als die ausgedachte.

Nancy Wakes Leben nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte zwar länger als das zuvor, 66 Jahre, doch aufregend war nur das andere. Ihren 1985 veröffentlichten Erinnerungen gab sie deshalb mit auf den Weg: »Freiheit ist das Einzige, wofür sich zu leben lohnt. Während ich meine Pflicht erfüllte beim Maquis, dachte ich oft: Macht nichts, wenn du getötet wirst, denn ohne Freiheit wäre es nicht wert zu leben.« Julia Gillard, Premierministerin von Australien, dem Land, wo Nancy ihre Kindheit verbrachte, sah das in ihrem Nachruf ebenso: »Sie war eine Frau von außergewöhnlichem Mut und Einfallsreichtum, deren waghalsige Heldentaten Hunderten von alliierten Soldaten das Leben retteten, und half, die Nazi-Besetzung Frankreichs zu beenden.«

Viele Geschichten aus jener Zeit, die post mortem gedruckt über die gebürtige Neuseeländerin verbreitet wurden, scheinen zu gut, um wahr zu sein. Manchmal war trotz aller Recherchen nicht endgültig zwischen Fiktion und Fakten zu unterscheiden und zu bestimmen, was nur gut war und was gut und außerdem wahr. Dass Nancy Wake beispielsweise an der Côte d’Azur Kaviar am Morgen, Champagner am Vormittag und Liebe am Nachmittag bevorzugte, mag ja stimmen, denn sie war jung und hatte eine besondere erotische Ausstrahlung, wie einer ihrer Verehrer aus der Résistance notierte. Das liest sich zweifellos verlockend gut. Aber ist es auch wahr? Freunde von Nancy oder Mitstreiter aus dieser Zeit gibt es keine mehr, Nancy Wake hat sie alle überlebt.

Sowohl in einer englischen als auch in einer australischen Biografie über Nancy Wake werden auf vielen Seiten sogar Dialoge abgedruckt – angeblich wörtlich so gesprochen bei der Planung von Attentaten oder in einer Gefechtspause in der Auvergne oder bei Verhören der Gestapo oder auf der Flucht über die Pyrenäen. Die dürften aber eher frei erfunden worden sein von den Autoren, denn logischerweise lief im Untergrund nie ein Tonband mit, um für die Nachwelt aufzuzeichnen, was gesprochen wurde.

Die Suche nach belegbaren Spuren im Leben von Nancy Wake, geboren 1912, gestorben 2011, brachte jedoch zutage, dass es viele gute Geschichten gibt, die wirklich wahr sind: Wie sie als junge Journalistin 1938 in Wien erlebt, dass unter hämischer Zustimmung ihrer Nachbarn jüdische Bürger vom Pöbel durch die Straßen gejagt werden. Wie sie nach der Kapitulation und der Aufteilung Frankreichs in den unter deutscher Militärverwaltung stehenden besetzten Norden des Landes und den von französischen Rechtskonservativen regierten unbesetzten Süden als Ambulanzfahrerin und Fluchthelferin und Kurierin der Résistance aktiv wird. Wie sie über die verschneiten Pyrenäen ins neutrale Spanien flüchtet, als die Gestapo sie zu jagen beginnt. Wie sie von Gibraltar aus unter stetiger Bedrohung durch deutsche U-Boote nach England verschifft wird. Wie sie in einem Trainingscamp als Agentin für den britischen Geheimdienst ausgebildet wird. Wie ihr die da antrainierte Nahkampftechnik des silent killing das Leben rettet, weil sie deshalb in Frankreich einem SS-Mann per Karateschlag das Genick brechen kann, bevor der zu seiner Waffe greift. Wie sie im Juni 1944 kurz vor dem Frühstück eine Frau erschießen lässt, die für die Deutschen spionierte, und danach in aller Ruhe ihren noch heißen Kaffee austrinkt. Wie sie, einzige Frau unter Männern, ein Gestapo-Hauptquartier in Montluçon in die Luft jagt. Wie sie, ausgerechnet während der bejubelten und gefeierten Befreiung Frankreichs, vom Tod ihres Manns erfährt, der gefoltert und hingerichtet wurde, weil er sie nicht verraten wollte. Wie sie im September 1944 im britischen Offiziersklub in Paris kurzerhand einen Kellner k.o. schlägt, der sich lobend über das Benehmen der ehemaligen Besatzer geäußert und nicht geahnt hatte, dass diese Britin am Tisch jedes Wort verstand.

Nach dem Krieg wurde Nancy Wake...

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