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»Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben«

Briefe aus Militärgefängnis und Gestapohaft 1943-1945

AutorHans Dohnanyi
VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783641174644
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Ein bewegendes Dokument aus dem Widerstand gegen Hitler
Erstmals werden die berührenden Briefe und eindringlichen Kassiber veröffentlicht, die Hans von Dohnanyi, eine der führenden Persönlichkeiten des Widerstandes gegen das NS-Regime, aus der Haft an seine Frau Christine und an seine Kinder schrieb. Sie zeigen sowohl den liebevollen Ehemann und Vater wie den entschlossenen Verschwörer gegen Hitler, der sich auch in der Haft, den Tod vor Augen, nicht beugt.

Der Jurist Dohnanyi schloss sich bereits Ende der dreißiger Jahre Widerstandskreisen an. 1942 verhalf er einer Reihe von Juden, die als Agenten getarnt wurden, zur Flucht in die Schweiz, im März 1943 war er an einem Attentatsversuch gegen Hitler beteiligt, der jedoch fehlschlug. Im April 1943 wurde er wegen angeblicher Devisenvergehen im Zusammenhang mit der Fluchthilfe inhaftiert. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 flog seine Mitarbeit an den früheren Putschplänen auf. Am 9. April 1945 wurde er im KZ Sachsenhausen gehängt.

Hans von Dohnanyi, geboren 1902 in Wien, war Jurist und einer der engagiertesten Angehörigen des Widerstands gegen Hitler. In seiner Schulzeit hatte er in Berlin Klaus und Dietrich Bonhoeffer kennengelernt. Er heiratete ihre Schwester Christine, mit der er drei Kinder hatte, Barbara, Klaus und Christoph. Dohnanyi wurde als NS-Gegner im KZ-Sachsenhausen hingerichtet.

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Leseprobe

»… der zwangsläufige Gang
eines anständigen Menschen«

Hans von Dohnanyi:
Verschwörer gegen Hitler und Helfer der Verfolgten

EINLEITUNG VON WINFRIED MEYER

Als am 5. April 1943 Hans von Dohnanyi an seinem Arbeitsplatz verhaftet und zugleich sein Vorgesetzter im militärischen Nachrichtendienst Hans Oster seines Amtes enthoben wurde, verlor der auf einen Sturz Hitlers hinarbeitende Widerstand in den Reihen des Militärs seinen »Mittelpunkt« und »nahezu alles, was er an innerem Zusammenhalt besaß« (Joachim Fest). Dabei war Hans von Dohnanyi nach dem Urteil seiner Frau kein »geborener Revolutionär«. Es waren tiefe politische Überzeugung und – in seinen eigenen Worten – »einfach der zwangsläufige Gang eines anständigen Menschen«, die ihn zu einer der zentralen Persönlichkeiten in den Bestrebungen militärischer und ziviler Oppositionskreise zum Sturz Hitlers und seines Regimes werden ließen.

Johann Georg (Hans) von Dohnanyi wurde am 1. Januar 1902 in Wien als Sohn des ungarischen Pianisten und Komponisten Ernst von Dohnányi und Elisabeth von Dohnányi geb. Kunwald, geboren. Seine Kindheit und Jugend verlebte er mit den Eltern und seiner jüngeren Schwester Grete im Villenviertel Grunewald im Westen von Berlin, wo sein Vater 1905 eine Professur an der Musikhochschule übernommen hatte. Nach der Trennung seiner Eltern bezog seine Mutter mit den Kindern eine kleine Wohnung am Rande des Grunewalds, und Hans musste mit Nachhilfeunterricht zum Familienbudget beitragen. Als Schüler des liberalen Grunewald-Gymnasiums schloss er Freundschaften unter anderem mit Gerhard Leibholz, dem protestantisch getauften Sohn eines Fabrikanten jüdischer Herkunft, mit Justus, dem Sohn des Historikers Hans Delbrück, und mit den älteren der acht Kinder des Professors Karl Bonhoeffer. Das fünfte der Bonhoeffer-Kinder, Christine (geboren 1903), besuchte ebenfalls das Grunewald-Gymnasium, denn nur ein Jungengymnasium bot die Möglichkeit einer humanistischen Ausbildung. Im September 1921 verlobten sich der 19-jährige Hans, der inzwischen Student war, und die 17-jährige Schülerin.

Hans von Dohnanyi hatte nach dem Abitur 1920 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Berliner Universität aufgenommen, das er durch gelegentliche Zeitungsartikel und die Mitarbeit an der Aktenedition des Auswärtigen Amtes »Die Große Politik der Europäischen Kabinette 1871–1914« finanzierte. Nachdem im Juli 1924 die Verlobung offiziell wurde, brach Christine Bonhoeffer ihr Studium der Zoologie (Berlin, Heidelberg, Tübingen) ab. Aus der im Februar 1925 geschlossenen Ehe gingen die Kinder Barbara (1926), Klaus (1928) und Christoph (1929) hervor.

Die Familie lebte nun in Hamburg, wo Hans von Dohnanyi schon im August 1924 eine Stelle als Assistent am Institut für Auswärtige Politik angetreten hatte, das sich als »Schule der Außenpolitik« die Aufarbeitung der Ursachen des Ersten Weltkriegs und der Versailler Friedensverträge zum Ziel gesetzt hatte. Neben der Arbeit am Institut promovierte er, absolvierte sein Referendariat im Hamburger Justizdienst und legte 1928 die große Staatsprüfung ab.

Anfang 1929 übernahm Dohnanyi, ein überzeugter Anhänger der Weimarer Republik, die Stellung eines persönlichen Referenten des Reichsjustizministers Erich Koch-Weser. Nachdem er im Frühjahr 1932 als Staatsanwalt in den hamburgischen Justizdienst zurückgekehrt war, wurde Dohnanyi Anfang Februar 1933 als juristischer Hilfsarbeiter an das Reichsgericht in Leipzig abgeordnet, wo er die Klage Preußens gegen das Reich wegen der Absetzung der preußischen Regierung am 20. Juli 1932 zu bearbeiten hatte.

Franz Gürtner, der aus der Bayerischen Mittelpartei stammende Justizminister, der für die Deutschnationalen dem Kabinett Hitler angehörte, berief ihn im Sommer 1933 zur Mitarbeit an der seit langem geplanten Reform des Straf- und Strafprozessrechts in das Reichsjustizministerium und ernannte ihn, nach der Beförderung zum Oberregierungsrat im Herbst 1934, zum Leiter des Ministerbüros. Bald verband den Minister und seinen engsten Mitarbeiter sowie deren Familien auch eine persönliche Freundschaft. Trotzdem betrachteten die Dohnanyis Franz Gürtner, der durch vorauseilende Anpassung an NS-Normen der Justiz einen Rest von Unabhängigkeit zu bewahren versuchte, als eine »im wahrsten Sinne tragische Gestalt, die dazu bestimmt war, das Grab des deutschen Rechts zu graben«.

Wie Dohnanyi als Mitglied der Kommissionen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts den Verfechtern eines nationalsozialistischen Strafrechts durch Hinweise auf rechtliche Probleme und Konsequenzen entgegenzuwirken versuchte, bemühte er sich auch als Leiter des Ministerbüros, mit fachlichen Argumenten die von Nationalsozialisten innerhalb und außerhalb des Ministeriums betriebene Politisierung der Justiz zu begrenzen. Das von ihm geführte Diensttagebuch des Reichsjustizministers, mit dem Material zur Abwehr von Eingriffen von NS-Stellen in die Kompetenzen der Justiz gesammelt wurde, entwickelte sich durch die Dokumentation von Rechtsbrüchen des Regimes – wie etwa die Morde in den Konzentrationslagern und die offizielle Duldung krimineller Delikte von Nationalsozialisten – zu einer Chronik des sich verfestigenden Terrorstaates.

Nachdem mit der nachträglichen Legalisierung der SS-Mordaktionen beim sogenannten »Röhm-Putsch« vom Sommer 1934 alle Relikte rechtsstaatlicher Prinzipien außer Kraft gesetzt worden waren, hielt Dohnanyi 1935 eine weitere Tätigkeit im Justizministerium nicht mehr für vertretbar und wollte einen Ruf an die Universität Leipzig annehmen. Auf ausdrückliche Bitte Gürtners blieb er aber im Ministerium, auch weil er nur so einzelnen Verfolgten und der Bekennenden Kirche mit Rat und Tat behilflich sein konnte.

Im Zuge der Bemühungen um die Rehabilitierung des mit infamen Anschuldigungen von Seiten der NSDAP zum Rücktritt gezwungenen Generalstabschefs des Heeres Werner von Fritsch lernte Dohnanyi 1938 mit Oberst Hans Oster und Admiral Wilhelm Canaris die führenden Persönlichkeiten einer sich formierenden militärischen Opposition kennen. In der Sudetenkrise des Spätsommers 1938 war er dann auch an Vorbereitungen für einen »Generalstreik der Generale« unter Führung von Generaloberst Ludwig Beck beteiligt, mit dem der von Hitler geplante Überfall auf die Tschechoslowakei verhindert werden sollte. Beck war zuvor aus Protest gegen Hitlers Kriegspläne als Generalstabschef des Heeres zurückgetreten und wurde nun zur unumstrittenen Führungsfigur der Militäropposition. Nachdem sich die britische Regierung aber zur Erhaltung des »Friedens in unserer Zeit« im Münchner Abkommen mit Hitler arrangiert hatte, war dem Staatsstreich die Grundlage entzogen. Dohnanyi war von der Haltung der Westmächte zutiefst enttäuscht, so dass er sich und seiner Frau immer wieder die Frage stellte: »Wann werden die andern endlich sehen, mit wem sie sich einlassen, und ihn auf den Kopf schlagen, ehe er die Welt in den Abgrund reißt?«

Nicht erst durch seine Tätigkeit als juristischer Gutachter im Fritsch-Verfahren hatte sich das Nichtparteimitglied Dohnanyi den Unmut von Parteistellen und Nationalsozialisten im Ministerium zugezogen. Seine Widersacher waren vor allem der Staatssekretär Roland Freisler und der Generalreferent für politische Strafsachen, Oberstaatsanwalt Herbert Klemm, dessen Gesetzesinitiative zur Zwangsscheidung von »Mischehen« zwischen Juden und Nichtjuden Dohnanyi hatte scheitern lassen. Ein für die NSDAP-Parteizentrale bestimmtes Gutachten bescheinigte folglich Dohnanyi, »kein Verständnis für die Rassengesetzgebung des Dritten Reiches, der er innerlich ablehnend gegenübersteht«, zu haben, und erklärte es für ausgeschlossen, »dass von ihm jemals ein mannhaftes, rückhaltloses Eintreten für den nationalsozialistischen Staat erwartet werden kann«. Zusammenfassend wurde die »ganz grundsätzliche Frage« gestellt, ob »der engste und nächste Berater eines Ministers im Dritten Reich ein Judenstämmling« sein dürfe.

Tatsächlich hatte Hans von Dohnanyi den vom Berufsbeamtengesetz geforderten »Ariernachweis« bei mehreren Abstammungsüberprüfungen seit 1933 nicht erbringen können, da die Konfessionszugehörigkeit seines Großvaters mütterlicherseits, Anton Kunwald, dessen Eltern der mosaischen Religionsgemeinschaft angehört hatten, unklar war. Allerdings gab es seit langem Gerüchte über eine uneheliche, »arische« Geburt Anton Kunwalds, wofür auch angebliche Abstammungsnachweise aus dem Haus Habsburg herangezogen wurden. Unter Hinweis auf diese Gerüchte hatte Gürtner im Oktober 1936 eine Entscheidung Hitlers herbeigeführt, dass Dohnanyi »wegen seiner Abstammung keine Nachteile haben« sollte.

Als die NSDAP-Parteizentrale 1938 dennoch immer vehementer seine Entfernung aus dem Reichsjustizministerium forderte, konnte Gürtner ihn nicht länger halten, setzte aber im September 1938 Dohnanyis Beförderung zum Reichsgerichtsrat und seine Versetzung an das Reichsgericht in Leipzig durch. Dort wurde Dohnanyi, als bis dahin jüngster Reichsgerichtsrat, dem 3. Strafsenat unter Vorsitz des Reichsgerichtspräsidenten Erwin Bumke zugeteilt. Jetzt hatte er mehr Zeit für seine Familie und einen kleinen Kreis oppositionell eingestellter juristischer Freunde. Häufige Besuche in Berlin und eine von ihm seit 1935 regelmäßig an der Deutschen Hochschule für Politik in Berlin angebotene Lehrveranstaltung ermöglichten es ihm, die Verbindungen zu den wichtigsten Vertretern der Militäropposition um Oster aufrechtzuerhalten. Diese wollten ihn im Kriegsfalle heranziehen.

Am 25. August 1939 wurde Dohnanyi dann zum von...

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