Zur Rolle demokratischer Middle Powers im Lichte globaler US-Hegemonie und der Regionalisierung der Balance of Power am Beispiel des nordkoreanischen Nuklearkonflikts
Inhaltsangabe:Einleitung: Südkoreaner metaphorisieren die strategische Position der koreanischen Halbinsel häufig als ‚helpless shrimp among whales’. Umgeben, und fast schon durchdrungen von globalen wie regionalen ‚Fremdmächten’, verfüge Südkorea (Republic of Korea, ROK) über keinerlei nennenswerter Möglichkeiten, den sicherheitspolitischen Wettbewerb in der nordostasiatischen Region zu beeinflussen; hingegen sei gewiss, dass es einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den Großmächten als erstes zum Opfer fallen würde. Nachdem sich die strukturellen Sachzwänge des Kalten Krieges (vermeintlich oder unvermeintlich) allmählich aufgelöst hatten, kristallisierte sich im Laufe der vergangenen zehn Jahre aus dieser nationalen Selbstwahrnehmung eine Art ‚pankoreanische Identität’ heraus. Mit diesem neuen common sense der südkoreanischen Öffentlichkeit im Gleichschritt, strengten die Regierungen Kim Dae-Jung (1998-2003) und Roh Moo-hyun (2003-2008) eine möglichst eigenständige Außenpolitik an. Diese setzte vornehmlich auf eine Minimierung amerikanischen Einflusses und stattdessen auf eine maximale Einbindung Nordkoreas. Da sich mit diesem Novum nicht nur die Beziehungen zu den USA drastisch verschlechterten, sondern Südkorea so auch erfolgreich dazu beitragen konnte, den Konflikt um das nordkoreanische Atomprogramm zu verschärfen, lässt sich hieraus vor allem eine Erkenntnis ableiten: So mittellos, wie Südkorea sich wähnt, ist es nicht, und so omnipotent wiederum, wie die zwar einzig verbliebene superpower USA so häufig wahrgenommen wird, sind die Vereinigten Staaten nicht. Wenn nun demokratische middle powers in der Lage sind, ihr sicherheitspolitisches Umfeld derart entscheidend mitzubestimmen, indem sie als Zünglein an der Waage vereinzelte, dafür aber relevante Akzente zu setzen vermögen, gilt das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit zwei wesentlichen Fragen: erstens, wodurch (latent) antiamerikanische Außenpolitik strukturell begünstigt wird, und zweitens, warum demokratische und rechtsstaatliche middle powers eine solche Außen- und Sicherheitspolitik verfolgen. Die asymmetrische Kräfteverteilung zwischen Südkorea und den USA, ihre traditionelle militärische Allianz und Werteverbundenheit, die durch Globalisierungsprozesse begünstigten Fortschritte gesellschaftlicher Emanzipation und Individualisierung, hingegen die unmittelbare regionale Gefahr seitens nordkoreanischer brinkmanship sowie einer zumindest potentiell bedrohlichen [...]
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